Standpunkte

Unsere Meinung in den Medien

 Eigenkapitalfinanzierung der Deutschen Bank im Fokus, Standpunkt, erschienen im GoingPublic Magazin 12/2016

Von Dr. Andreas Beyer

Seit vielen Jahrzehnten ist die Deutsche Bank als verlässliche Dividendenzahlerin bekannt. Am 28. Oktober 2015 verkündet der neue Co-Vorstandsvorsitzende John Cryan, seit weniger als vier Monaten im Amt, den Ausfall der Dividende für 2015 und 2016. Nachdem kurz nach Bekanntgabe des Vorstandswechsels die Aktie in der Folge geradezu freundlich mit einem Anstieg von über 10% auf über 30 € reagiert hatte, befindet sie sich seitdem auf Sinkflug und markierte im Oktober 2016 mit unter 10 € einen Rekord-Tiefststand.

Maßgeblich beigetragen zu diesem Tauchgang hat die Diskussion über die Höhe der Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten. Immer wieder wurde öffentlich diskutiert, ob die Höhe der Prozess-Rückstellungen per Ende 2005 in Höhe von 8,9 Mrd. €, davon 4,0 Mrd. € Rückstellungen für Regulierungsbehörden, ausreichend wären, um das US-Justizministerium zu befriedigen. Auch in anderen Bereichen machte die Bank keine glückliche Figur. Ein Skandal jagte den nächsten. Mit dem Dividendenausfall wollte John Cryan die Aktionäre früh auf die bevorstehenden mageren Zeiten einstimmen. Doch war dies klug?

Im Hinblick auf Ehrlichkeit, wie es um die Bank wirklich steht, ist diese Frage mit Ja zu beantworten. Doch wie ist dies zu sehen in Bezug auf die künftige Stabilität der Bank? Immerhin waren die Problembereiche analysiert, siehe die drei Adhoc-Meldungen, die die Bank im Oktober 2015 veröffentlichte. Per Ende 2015 betrug die Verschuldungsquote der Deutschen Bank, im Fachjargon Leverage Ratio genannt - bei Nichtbanken ist das gemeinhin die Eigenkapitalquote (!) - bei mickrigen 4,1% (2014: 4,2%). Um die EK-Quote von 3,3% (Ende 2013) auf über 4% zu hieven, war 2014 bereits eine bedeutende Kapitalerhöhung im Juni mit einem Bruttoerlös von 8,5 Mrd. € erforderlich (Bezugsrechtsemission 18:5 zu 22,5€). Nunmehr sollten die Aktionäre durch einen Dividendenverzicht einen Beitrag zur EK-Verbesserung leisten.

Nun darf man sich angesichts der vielseitigen Problemlage der Bank schon fragen, warum der neue Vorstand keine Kapitalerhöhung nach Offenlegung des Status im Herbst 2015 auf der Agenda hatte. Eine Refinanzierung wäre wohl mit einem Aktienkurs von über 20 € locker durchführbar gewesen. Heute freilich undenkbar. Der Zug ist abgefahren. Aber: in diesen Tagen wird aus guten Gründen erneut über eine Kapitalerhöhung bei der Bank spekuliert. Nur, jetzt sind die Konditionen deutlich schlechter. Und viel wichtiger: Die Bank hat Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren. Ihre finanzielle Stärke und Stabilität werden öffentlich in Zweifel gezogen.

Eine Kapitalerhöhung wäre also bereits im Vorfeld dringend angezeigt gewesen. Man hätte die Aktionäre durchaus bei Laune halten können, hätte man nicht einen Dividendenausfall angekündigt. Eine Kürzung der Ausschüttung von 0,75 € auf vielleicht 0,50 € pro Aktie hätte es auch getan. Dann hätte sich eine junge Aktie bei einem Ausgabebetrag von 20 € mit 2,5% rentiert. Das wäre auch angesichts der Problemfälle von vielen Investoren als versöhnlich eingestuft worden. Man darf davon ausgehen, dass die neuen Aktien vom Markt absorbiert worden wären.

Der zweimalige Dividendenverzicht (gerechnet mit 0,50 € pro Aktie) bringt der Bank knapp 1,4 Mrd. € zusätzliche Eigenmittel. Eine Kapitalerhöhung hätte mindestens 7,7 Mrd. € in die Kassen gespült, unterstellt man ein identisches Verhältnis der vorherigen Maßnahme. Mehr wäre besser gewesen, bei 2:1 wären 14 Mrd. € erzielt worden. Eine Kapitalerhöhung 2:1 zu 10 € würde heute lediglich 7 Mrd. € bedeuten. Vergegenwärtigt man den Vergleichsvorschlag des US-Justizministeriums von 14 Milliarden US-Dollar) erkennt man das wahre Ausmaß der Unterfinanzierung der Deutschen Bank.

Um allgemeine Ängste zu vermeiden, steht die EK-Quote bei Veröffentlichungen ohnehin nicht im Vordergrund. Die Bank verweist vielmehr auf die harte Kernkapital-Quote (CET 1) in Höhe von 11,1 % (Stand 09/2016). Um auf diesen höheren Wert zu kommen, werden die gewichteten Risikoaktiva als Nenner verwendet und nicht die Bilanzsumme. Derzeit müssen beispielsweise bestimmte Staatsanleihen – auch keine Griechenland-Bonds - nicht (!) mit EK unterlegt werden. Für die Deutsche Bank bedeutet dies: Um auf eine EK-Quote von 11% zu kommen, müssten eine Billion (!) Euro aus der Bilanz eliminiert werden. Beurteilen Sie selbst, ob diese eine Billion Euro tatsächlich ohne Risiken sind.

Eine Kapitalerhöhung ist also weiterhin unausweichlich, allerdings haben sich die Konditionen deutlich verschlechtert. Der Marktwert der Bank lag Ende September bei 16 Mrd. €. Um Stabilität im Ansatz zu erreichen, ist gar eine Kapitalerhöhung von 1:1 und darüber hinaus erforderlich.

Die komplette Streichung der Dividende kann man also im Nachgang als strategischen Fehler ausmachen. Die Alternative Kapitalerhöhung mit reduzierter Dividende wäre die bessere Alternative gewesen. Sie hätte der Bank die dringend erforderliche Sicherheit gebracht.

Die Börse nach „FRoSTA“: Nur noch frostige Aussichten?, erschienen im GoingPublic Magazin 05/2015

Von Dr. Andreas Beyer

Ferdinand Karl Piëch hat mal wieder im stillen Kämmerchen eine Entscheidung getroffen: Für VW habe die Börse keinerlei Bedeutung mehr. Deswegen werde die VW-Aktie ab nächster Woche nicht mehr an der Börse gehandelt. Da man nicht verpflichtet sei, den Aktionären ein Abfindungsangebot zu unterbreiten, werde es ein solches auch nicht geben.

Um es gleich vorwegzunehmen: Bislang ist eine solche Entscheidung des AR-Vorsitzenden der VW Aktiengesellschaft nicht bekannt, sie wäre allerdings nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland seit geraumer Zeit leicht umsetzbar. Das Thema Delisting und Anlegerschutz hätte wohl eine ganz andere Dimension, wenn ein DAX-Wert auf Basis der „FRoSTA-Entscheidung“ seinen Börsenrückzug erklären würde. Aktuell ist es eher ein Thema für kleine Aktiengesellschaften und deren zahlenmäßig überschaubaren Aktionäre.

Gründe für einen Börsenrückzug gibt es für kleine und mittelgroße Unternehmen jedoch genug: fortlaufende Unterbewertung der Aktien an der Börse, eine Börse ohne erkennbare Kapitalbeschaffungsfunktion, starre Aktionärsstruktur und wenig Börsenliquidität sowie intensive Regulierung und hohe Transparenz. Gerade börsennotierte Familien-AGs und Mittelständler führen diese Gründe an. Und da kommt die „FRoSTA-Entscheidung“ zum richtigen Zeitpunkt. Die Option eines raschen und problemlosen Rückzugs von der Börse wird daher als Vorteil gesehen.

Für die Aktionäre ist dies nicht angenehm. Sie verlieren ihre Möglichkeit auf Veräußerung ihrer Aktien zum Börsenkurs und müssen fortan mit der Unsicherheit leben, dass die Handelbarkeit jederzeit beendet werden kann. Da war das alte Recht („Macrotron-Entscheidung“) schon recht komfortabel: ein Abfindungsangebot zum Börsenkurs war obligatorisch.

Mit „FRoSTA“ schlägt das Pendel in die andere Richtung nun zurück. Es gibt keine Verlässlichkeit mehr wie beim Stetigkeitsgebot in der Bilanzierung. Praktisch kann sich ein Emittent heute mit der Umsetzung des Börsenrückzugs beschäftigen, obwohl die Firma vor wenigen Wochen noch Kapital für den Börsengang im Regulierten Markt eingeworben hat. Vielleicht wurden die Kapitalbeschaffungspläne nicht ganz erfüllt und der Vorstand hat keine Lust mehr auf die Börse... Sie denken „unmöglich“, ich sage: „bereits Realität“.

Kurzfristiges Denken ist aber keine Option einer strategischen Kapitalmarktstrategie. Der Gang an die Börse sollte eine wohlüberlegte Entscheidung sein und auf Dauer angelegt sein. An der Börse gibt es bekanntlich auch einige Durststrecken zu überwinden. Aber bereits ein extrem kurzer Zeitraum innerhalb eines langen „Börsenlebens“ kann für einen Emittent reichen, mehr Vorteile zu erzielen als ohne Börsennotiz. Man denke an viele Immobilienfirmen, die Jahrzehnte unter NAV gehandelt wurden und erst mit der Zinsflaute reale Unternehmenswerte an der Börse zugebilligt erhalten und sich nun ganz wunderbar refinanzieren können. Oder so mancher Wert der New Economy hat nur überlebt, weil er anlässlich des IPOs einen Kapitalpuffer auch für dürre Jahre erhalten hat.

Ist „FRoSTA“ nun ein Asset für börsennotierte Emittenten? Vielleicht ja. Immerhin ist man frei in der Entscheidung, ohne Auflage den Börsenrückzug einzuleiten, wenn es andere Prioritäten gibt. Aus Anlegersicht in jedem Fall wünschenswert wäre mehr Stetigkeit. Nicht von heute auf morgen darf es den Rückzug geben. Wie wäre es mit einer einheitlichen Frist für den Börsenrückzug von z.B. drei Jahren. Und wer weiß, was während dieser Zeit alles passiert. Vielleicht macht die Börse ja dann doch wieder Spaß und der Vorstand nimmt wieder Abstand vom Börsenrückzug ...

Standpunkt: Aktienfinanzierung gegenüber Crowdinvesting benachteiligt, erschienen in GoingPublic Online, April 2015

Von Dr. Andreas Beyer

Das neue Kleinanlegerschutzgesetz schafft einen rechtlichen Rahmen für Crowdinvesting und soll Kleinanleger schützen. Finanzierungen bis 2,5 Mio. € sind weiterhin ohne Wertpapierprospekt möglich. Für die Ausgabe von Aktien gilt diese Freizügigkeit jedoch nicht. Unternehmen, die Aktien breit platzieren wollen, müssen bereits ab einem Emissionsvolumen von 0,1 Mio. € einen Wertpapierprospekt erstellen und von der BaFin billigen lassen.

Die scharfe Regelung der Prospektpflicht ist vielen kleineren Gesellschaften ein Dorn im Auge. Für eine Aktiengesellschaft ist die Durchführung einer Kapitalerhöhung um bis 1,0 Mio. € nur mit großem Aufwand und hohen Kosten zu bewältigen.

Alleine der HV-Beschluss inklusive HR-Eintragung ist mit beträchtlichen Kosten verbunden. Bei einem Emissionsvolumen von 1 Mio. € fallen schon alleine 10 TEUR für HV-Vorbereitung, Notar, Gericht, Landesjustizkasse, ...) an. Es folgt der Wertpapierprospekt (Erstellung durch Rechtsanwaltskanzlei plus Gebühren Bafin: ca. 50 TEUR). Im Prospekt müssen zwingend drei testierte (!) Jahresabschlüsse aufgenommen werden. Dies bedeutet, ohne Testat keine Kapitalerhöhung.

Lassen wir Arbeitsaufwand für Prospekterstellung und Jahresabschlussprüfung mal beiseite und betrachten alleine die Fremdkosten: Unter 100 TEUR ist eine Aktienausgabe gar nicht durchführbar. Bei einem Mini-Emissionsvolumen von 500 TEUR sind das stolze 20%. Hinzu kommt das Problem, dass die hohen Kosten im Vorfeld einer Kapitalerhöhung entstehen und die Umsetzung der Maßnahme nicht sicher ist. Für eine Crowdfinanzierung in Form eines Nachrangdarlehens bedarf es dagegen nahezu keinerlei Vorlaufkosten.

Nun gibt es einige kleinere Aktiengesellschaften an der Börse, die sich über ein Bezugsangebot Kapital beschaffen könnten, jedoch ihre Pläne nicht durchführen, weil sie über 150 Aktionäre haben und ein Bezugsangebot eine Prospektpflicht auslösen würde. Derweil ist eine Aktienemission mit einem kleinen Volumen an viele Kleinaktionäre nichts anderes als .... richtig: Crowd-Investing.

Fazit: Bei der Regelung des Crowdinvesting ist vergessen worden, die Anlageform Aktie mit einzubeziehen. Vielmehr fördert der Gesetzgeber eher intransparente Finanzierungsinstrumente wie partiarische Darlehen, stille Beteiligungen etc. Man bedenke: Das Risiko eines Nachrangdarlehens und einer Aktie ist gleichwertig; der Aktionär hat aber gegenüber dem Gläubiger eine Chance auf einen adäquaten Wertzuwachs. Die Benachteiligung der Aktie ist damit doppelt ungerechtfertigt. Schade ...


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