Von Dr. Andreas Beyer
Ferdinand Karl Piëch hat mal wieder im stillen Kämmerchen eine Entscheidung getroffen: Für VW habe die Börse keinerlei Bedeutung mehr. Deswegen werde die VW-Aktie ab nächster Woche nicht mehr an der Börse gehandelt. Da man nicht verpflichtet sei, den Aktionären ein Abfindungsangebot zu unterbreiten, werde es ein solches auch nicht geben.
Um es gleich vorwegzunehmen: Bislang ist eine solche Entscheidung des AR-Vorsitzenden der VW Aktiengesellschaft nicht bekannt, sie wäre allerdings nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland seit geraumer Zeit leicht umsetzbar. Das Thema Delisting und Anlegerschutz hätte wohl eine ganz andere Dimension, wenn ein DAX-Wert auf Basis der „FRoSTA-Entscheidung“ seinen Börsenrückzug erklären würde. Aktuell ist es eher ein Thema für kleine Aktiengesellschaften und deren zahlenmäßig überschaubaren Aktionäre.
Gründe für einen Börsenrückzug gibt es für kleine und mittelgroße Unternehmen jedoch genug: fortlaufende Unterbewertung der Aktien an der Börse, eine Börse ohne erkennbare Kapitalbeschaffungsfunktion, starre Aktionärsstruktur und wenig Börsenliquidität sowie intensive Regulierung und hohe Transparenz. Gerade börsennotierte Familien-AGs und Mittelständler führen diese Gründe an. Und da kommt die „FRoSTA-Entscheidung“ zum richtigen Zeitpunkt. Die Option eines raschen und problemlosen Rückzugs von der Börse wird daher als Vorteil gesehen.
Für die Aktionäre ist dies nicht angenehm. Sie verlieren ihre Möglichkeit auf Veräußerung ihrer Aktien zum Börsenkurs und müssen fortan mit der Unsicherheit leben, dass die Handelbarkeit jederzeit beendet werden kann. Da war das alte Recht („Macrotron-Entscheidung“) schon recht komfortabel: ein Abfindungsangebot zum Börsenkurs war obligatorisch.
Mit „FRoSTA“ schlägt das Pendel in die andere Richtung nun zurück. Es gibt keine Verlässlichkeit mehr wie beim Stetigkeitsgebot in der Bilanzierung. Praktisch kann sich ein Emittent heute mit der Umsetzung des Börsenrückzugs beschäftigen, obwohl die Firma vor wenigen Wochen noch Kapital für den Börsengang im Regulierten Markt eingeworben hat. Vielleicht wurden die Kapitalbeschaffungspläne nicht ganz erfüllt und der Vorstand hat keine Lust mehr auf die Börse... Sie denken „unmöglich“, ich sage: „bereits Realität“.
Kurzfristiges Denken ist aber keine Option einer strategischen Kapitalmarktstrategie. Der Gang an die Börse sollte eine wohlüberlegte Entscheidung sein und auf Dauer angelegt sein. An der Börse gibt es bekanntlich auch einige Durststrecken zu überwinden. Aber bereits ein extrem kurzer Zeitraum innerhalb eines langen „Börsenlebens“ kann für einen Emittent reichen, mehr Vorteile zu erzielen als ohne Börsennotiz. Man denke an viele Immobilienfirmen, die Jahrzehnte unter NAV gehandelt wurden und erst mit der Zinsflaute reale Unternehmenswerte an der Börse zugebilligt erhalten und sich nun ganz wunderbar refinanzieren können. Oder so mancher Wert der New Economy hat nur überlebt, weil er anlässlich des IPOs einen Kapitalpuffer auch für dürre Jahre erhalten hat.
Ist „FRoSTA“ nun ein Asset für börsennotierte Emittenten? Vielleicht ja. Immerhin ist man frei in der Entscheidung, ohne Auflage den Börsenrückzug einzuleiten, wenn es andere Prioritäten gibt. Aus Anlegersicht in jedem Fall wünschenswert wäre mehr Stetigkeit. Nicht von heute auf morgen darf es den Rückzug geben. Wie wäre es mit einer einheitlichen Frist für den Börsenrückzug von z.B. drei Jahren. Und wer weiß, was während dieser Zeit alles passiert. Vielleicht macht die Börse ja dann doch wieder Spaß und der Vorstand nimmt wieder Abstand vom Börsenrückzug ...